Sonntag, 6. März 2011

On the way back

Nach knapp vier Monaten herumreisen sitze ich hier im Hotelzimmer und schreibe einen letzten Upload. Beate packt bereits die Rucksäcke und wir spüren beide, dass unsere große Reise nun zu Ende ist. Als Ökonom will ich natürlich Bilanz ziehen, aber Beate findet dass man die vielen unbeschwerten Wochen die hinter uns liegen nicht einfach kühl und trocken bilanzieren kann. Wir wussten zwar im Voraus, in welchem Land wir zu welchem Zeitpunkt sein werden – die einzelnen Flüge mussten wir ja fix buchen – aber die vielen Wochen dazwischen waren einfach disponibel. An kaum einem Tag stand fest, wo wir uns am Abend befinden werden, wir taten genau das, wozu wir eben Lust hatten. Keine Zwänge, keine Termine, die ganze Welt stand uns einfach offen.
Wir wollten Länder, Menschen und Kulturen kennen lernen. Spontan erinnern wir uns beide an die vielen jungen Menschen in Kambodscha und Vietnam und an den Bildungshunger der in dieser Region herrscht. Die Kinder und Jugendlichen dort wissen, dass Bildung in Ländern ohne Bodenschätzen neben Natur, Kultur und Tourismus die wichtigste Ressource ist. Außer den familiären Netzwerken gibt es kaum staatliche Auffangnetze, jeder ist seines Glückes Schmied und ergreift seine Chancen mit Ehrgeiz und Konsequenz. Dass die Leute bei all dem persönlichen Streben auch noch außergewöhnlich freundlich sind, macht diese mit Natur und Kulturgütern reichlich ausgestatten Länder nur noch sympathischer. Wir sind uns sicher, dass diese Länder in den nächsten Jahren im „Weltranking“ einen Sprung nach vorne machen werden.
In Hongkong waren wir dann erstmals in einer futuristischen Welt der „Reichen und Schönen“. Sowohl die Wolkenkratzer als auch die vielen noblen Geschäfte, die fein gekleideten Leute, die unzähligen sündteuren Autos, hier will jeder seinen Reichtum zur Schau stellen. Wir waren dort jedenfalls in einer Welt des Scheins, ob hinter den auf Hochglanz polierten Scheiben auch noch Menschen mit eben so viel „Sein“ sitzen, konnten wir nicht herausfinden.
In Australien erwarteten wir uns Menschen, deren Akzent wir kaum verstehen, Weite, Hitze, Trockenheit, Staub, wenig „Grün“ und Fliegen - die hatte ich noch von meiner ersten Australienreise sehr unangenehm in Erinnerung. Nun, die Weite haben wir gefunden, aber sonst lagen wir in unseren Erwartungen kräftig daneben. Die Menschen waren so was von herzlich und hilfsbereit, sprachen langsam und verständlich und sind steht’s bemüht ihr schönes Land sauber zu halten. Der viele Regen hielt das Land auch während des „Hochsommers“ (zumindest laut Kalender) grün und auch das Fliegenproblem haben sie längst in den Griff bekommen. Über ihren Sauberkeitsfimmel reißen die Australier sogar selber Witze. Wie hilfreich diese Lebensart in Verbindung mit dem zweiten herausragenden Wesenszug der Australier – der Hilfsbereitschaft – sein kann, erlebten wir nach den großen Überschwemmungen. Wer selber nicht betroffen war, packte sich einfach zusammen und fuhr ins Nachbardorf oder auch in den nächsten Bundesstaat !!! zu Menschen die sie vorher gar nicht kannten, einfach nur um zu helfen. Hier hat keiner auf staatliche Hilfen, das Bundesheer oder Versicherungsentschädigungen gewartet, es gab viel zu tun, da muss man eben zur Tat schreiten. Das nächste Mal kann es einen ja selber treffen –  in diesem Land kann man sicher sein, dass es andere geben wird, die einem helfen – if it happens. Während sich Beate neben mir gerade mit dem Zuschnallen der Rucksäcke plagt – wir hätten gestern einfach nicht so viel shoppen sollen - will ich noch rasch meine landwirtschaftlichen Eindrücke von Australien replizieren. Vom  Produktionslevel und der eingesetzten Technik her ist sie mit der europäischen durchaus vergleichbar. Die Betriebe müssen zwar mit deutlich weniger Subsidies auskommen sind dafür zumeist deutlich größer als bei uns in Europa. Die Farmer die auf den Betrieben arbeiten, sind gleichzeitig auch die Besitzer, Agrarkonzerne und riesige Aktiengesellschaften die auch in die Landwirtschaft hinein diversifizieren findet man nur ganz vereinzelt. Neben dieser Parallele sind auch die Produktionskosten - unterm Strich gerechnet - mit unseren in Europa durchaus vergleichbar, denn dort wo man wegen guter Böden und ausreichender Niederschläge kaum beregnen muss (z.B. in Queensland und Teilen Victorias), kostet eben dann ein Hektar 50.000 AUS $. Die Zukunft der größeren Betriebe in Europa könnte also nach 2013 durchaus so aussehen wie die australische Wirklichkeit jetzt – nur noch geringfügige Subventionen, größere Einheiten aber immer noch echte Familienbetriebe.
Die Naturschönheiten Neuseelands haben dann durchaus unseren Erwartungen entsprochen. Die Vulkanlandschaften, Geysire und tollen Strände auf der Nordinsel haben uns ebenso fasziniert wie die marinen Ökogesellschaft und alpinen Landschaften auf der Südinsel. Auch das Agrarmodell ist keineswegs uninteressant. Neuseeland ist der einzige Industriestaat, der seinen Bauern absolut keine Subventionen zahlt. Nach dem mit diesem Experiment bereits vor mehr als 15 Jahren begonnen wurde, die landwirtschaftlichen Kennziffern trotzdem deutlich im Aufwärtstrend liegen und nach wie vor kein einziges Fleckchen !!! aus der Produktion gefallen ist, kann man durchaus von einem geglückten Versuch sprechen. Mich wundert jedenfalls, dass die europäische Linke das neuseeländische Modell nicht viel stärker in die europäische agrarpolitische Diskussion einbringt. Erwähnenswert ist jedenfalls die strikte Weltmarktorientierung, es wird genau das produziert, wofür der Weltmarkt gerade gut zahlt. Betriebe werden wesentlich rascher umorientiert als anderswo in der Welt. Als es mit der Milch ohne Subventionen nicht so gut ging, stellten - entsprechende klimatische Möglichkeiten vorausgesetzt – viele Betriebe direkt von der Milchviehhaltung auf Wein um. Die Milchtanks wurden zu „Weinfässern“ umfunktioniert und die Marlborough Region auf der Südinsel zählt nunmehr zu den bedeutendsten Weißweinregionen der Welt. Weniger erfreulich ist allerdings, dass so eine weltmarktorientierte Landwirtschaft nicht notwendigerweise auch gleichzeitig eine tierschutzgerechte und Ressourcen schonende ist. Wenn Hirschgeweihmehl als Aphrodisiakum mehr bringt als die Schafhaltung, dann wird den Hirschen eben das Bastgeweih abgeschnitten, wen kümmert’s wenn dafür die Devisen ins Land kommen. Unser Besuch in Christchurch bekam nachträglich eine ganz andere Perspektive. Als uns Edi Bilder von genau jenen Orten sandte, die wir eine gute Woche vorher gemeinsam noch intakt besuchten, wurde uns schon sehr mulmig.
Dass unsere Weltreise nicht nur sozioökonomische, naturrelevante und agrarische Dimensionen hat, war uns durchaus bewusst. Wir wussten auch, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nie wieder in diese Regionen der Welt kommen würden und genossen oft und oft das hier und jetzt. Die gesamte Reise war in ihrer Unbeschwertheit natürlich auch eine Zeit, in der wir unsere Beziehung und unsere ganz persönlichen Bedürfnisse in den Mittelpunkt unserer Tagesplanungen stellen konnten. Den absoluten Höhepunkt diesbezüglich stellte aber unsere Woche in Fiji dar. Sowohl die landschaftlichen Schönheiten als auch das Cruisship und die beiden tollen Ressorts waren so einmalig, dass Beate diese Reise nun taxfrei als nachträgliche Hochzeitsreise durchgehen lässt. Ich konnte mir jeden Tag ausgiebig Zeit für ausgedehnte Läufe nehmen, während Beate fleißig an der Reisedetailplanung und an den Uploads arbeitete. Für Alle die Freude an unseren Uploads hatten, muss ich an dieser Stelle anmerken, ohne Beate hätte es weder einen Blog noch reich bebilderte Uploads gegeben. Wir waren ein richtiges Team, jeder hatte seine Aufgaben und unsere Tage waren so ausgefüllt, dass wir an Fernsehen, Kartenspielen oder gar Langeweile zu keinem Zeitpunkt dachten.
Kalifornien war zwar nur als ein letzter Zwischenschritt am Weg nach Hause eingeplant, hat uns aber unerwartet gut gefallen. Ob Hollywood, Santa Barbara, Yosemite Nationalpark, die beiden landwirtschaftlichen Regionen (San Joaquin Valley und Salinas Valley), die Napa Wine Region und zuletzt auch San Francisco – alles für sich waren kleine Höhepunkte.
Wenn wir Morgen in Wien landen werden wir eine Gesamtstrecke von knapp 70.000 km hinter uns haben und prall gefüllt mit Eindrücken, Erfahrungen und Lebensfreude nach Hause kommen.